Dolf Sternberger-Preis für öffentliche Rede 2007, Feier der Vergabe an Herrn Staatspräsidenten a.D. Vaclav HAVEL in Prag/Praha am 23. Oktober 2007
Dr. Dr. h.c. Hanna-Renate Laurien, Staatsministerin und Senatorin a.D.
Laudatio:
Sehr verehrter Herr Präsident Havel,
Als Sie 1991 den dänischen Sonning-Preis erhielten und darüber nachdachten, ob es denen, die Sehnsucht nach der Macht haben, dabei um den Dienst an der Sache – wie stets gesagt wird – oder um die Selbstbestätigung geht, bemerkten Sie höchst selbstkritisch, dass Sie, vor diese Frage gestellt, sich selbst verdächtig würden. Und nun kommt der Satz, um den es mir hier geht, Sie sagten: Mit jedem Preis, den ich erhalte, (werde ich) einen Grad verdächtiger. Das gilt hier heute nicht! Hier wird deutlich werden, dass Sie durch Ihren Einsatz für die Verantwortung vor der Sprache, durch und in Ihrer Sprache und durch Ihre Art zu leben nicht in den Verdacht der Selbstbestätigung geraten, nein, Sie sind für uns, und das sollte auch für Ihr Selbstverständnis gelten, rundum liebenswert!
Nun:
Sehr verehrte Damen, sehr geehrte Herren, Sie sind alle herzlich begrüßt, doch drei Personen will ich gerade mit Bezug auf diese Veranstaltung besonders begrüßen: Zuerst Sie, verehrte Frau Prof. Dr. Limbach, Sie sind die Präsidentin des heute gastgebenden Goethe-Instituts, dann Herr Prof. Dr. Vogel, Sie, den ehemaligen Ministerpräsidenten, begrüßen wir besonders als Vorsitzenden der Konrad-Adenauer-Stiftung, und Sie, Herr Prof. Dr. Landfried, begrüßen wir vor allem als den Vorsitzenden der Dolf Sternberger-Gesellschaft.
Der Dolf Sternberger-Preis wird uns immer wieder unsere Verantwortung für unser Sprechen, für unsere Sprache bewusst machen. Sternberger kämpfte gegen das Inhumane der Diktatur, das auch in der Sprache erkennbar ist. Er sagte 1945: "Der Verderb der Sprache ist der Verderb des Menschen" und: "Worte und Sätze können ebensowohl Gärten wie Kerker sein." Sprache, so Sternberger, ist Signum unserer Freiheit, das wir zu bewahren haben; genau hinhörend geht er den stillen Veränderungen nach. Sprache wird zur Folie für das politische Leben in einer Gesellschaft.
Vaclav Havel hat wie kein zweiter in Rede und Leben das drohende Wort der Diktatoren, dessen Vielfalt tötenden Einheitsgebrauch faszinierend mit der Kraft des freien und befreienden Wortes bekämpft. Wir sind es, durch die das Wort zum tödlichen Giftpfeil oder zum befreienden Lichtstrahl wird. (Ich erinnere an Thomas von Aquin: Der Pfeil ist in sich weder gut noch böse. Er wird gut oder böse durch die Richtung, die die menschliche Hand ihm gibt.) Wir haben Gelegenheit, dies in Wahlkämpfen oder auch im Streit um Sicherheitspolitik, um Klimaschutz oder Erziehungsförderung zu beobachten. Da wird durch Sprache aus dem Gegner der Feind, Anzeichen diktatorischen Denkens. Havel macht uns hellhörig!
Aus der Fülle seiner bedeutenden Reden wage ich, drei auszuwählen, durch die der Zusammenhang von Handeln und Sprechen und die sittliche Begründung von Politik für mich besonders deutlich wird: Einmal seine erste Neujahrsansprache 1990 als tschechoslowakischer Ministerpräsident, zum anderen seine Dankrede zur Verleihung des Friedenspreises des Deutschen Buchhandels am 15.10.1989 in der Frankfurter Paulskirche. In dieser Rede geht er vom Wort als der eigentlichen Quelle des Menschseins aus und erschließt das Wunder des menschlichen Wortes als Schlüssel zur Geschichte des Menschen und zur Geschichte der Gesellschaft. Da lohnt sich ein Blick in das jüngste Buch des bedeutenden philosophischen Kunstkritikers George Steiner "Warum Denken traurig macht". Es geht um die Gedankensphäre des Seins und des Todes, und er führt aus: "Wahrscheinlich wurde der Homo zum Homo sapiens, als die Gottesfrage auftauchte, als sprachliche Mittel es ermöglichten, die Frage nach Gott zu stellen. Es ist durchaus vorstellbar, dass höhere Formen tierischen Lebens an das Bewusstsein des eigenen Todes rühren. Die Gottesthematik jedoch scheint für die menschliche Gattung spezifisch. Wir sind die Geschöpfe, die imstande sind, die Existenz Gottes zu leugnen oder zu bejahen. Unsere geistigen Anfänge liegen im Wort." (S. 72). Das ist Havel: Im Anfang war das Wort. Zwischen den beiden erwähnten Reden will ich in Kürze seine Rede in Washington vor den beiden Kammern des Kongresses am 21.2.1990 zitieren, um Einblick in seine weltweite Wirkung zu geben.
Wenden wir uns der Neujahrsansprache von 1990 zu. Havel war drei Tage zuvor zum Staatspräsidenten gewählt worden und stellte sich mit dieser Ansprache den Bürgern und Bürgerinnen, die er als Mitwirkende in der neuen Demokratie gewinnen wollte. Wenn wir das historische Wahlergebnis in der Tschechoslowakei vom 18.6.1990 betrachten, war er erfolgreich. Er konfrontierte die Bürger und Bürgerinnen mit der Realität ihres wirtschaftlich, ökologisch, sozial und - wie er sagt - vor allem sittlich kaputten Landes. Das bisherige Regime hat den Menschen zur Kraft erniedrigt und die Natur zu einem Instrument (am Anfang war das Wort, S. 236). Doch Sie, verehrter Herr Präsident, ließen nicht zu, nun sämtliche Schuld alleine auf dieses Regime zu schieben, nein, alle haben das Funktionieren der totalitären Maschinerie ermöglicht. "Niemand ist nur ihr Opfer, sondern alle sind wir zugleich ihre Mitschöpfer" (S. 237). Jetzt aber galt: Das beste Parlament, die beste Regierung reichten nicht, jeder hat "die Pflicht, selbstständig, frei, vernünftig und schnell zu handeln". Dem Wort muss die Tat folgen, und Sie sprachen die Verheißung aus: Dann "kehrt die Hoffnung wieder in unsere Herzen zurück". Sie haben damit ein Modell der Begegnung verwirklicht, indem Realitätssinn, Vertrauen und Forderung verbunden sind, das nicht nur für alle totalitären Staaten gelten kann, sondern das im Letzten auch das ausspricht, was ich als größte Schwäche in den etablierten Demokratien sehe, nämlich die Gleichgültigkeit, die selbstverständliche Annahme demokratischer Rechte, ohne sich um staatsbürgerliche Pflichten zu kümmern. Ihr Leitmotiv "Verantwortung" trifft auch uns.
Havel lobte dann in der Ansprache alle - für die Leistung der stillen Revolution, durch die gezeigt wurde, dass der Mensch fähig ist, sich auf etwas Höheres zu beziehen. Wie sehr haben sie - verhaftet, vertrieben, getötet - für die heutige Freiheit auch bezahlt. Kein Opfer darf vergessen werden. Und wenn auch das Schicksal anderer Völker einzubeziehen ist, so gilt doch: "Unsere beiden Völker haben sich selbst aufgerichtet, und so ist das Selbstbewusstsein, das nicht Hochmut bedeutet, die beste Basis für die Achtung vor uns selbst und für die Achtung anderer Völker." Das sollte man auch in Deutschland nicht vergessen. Havel offenbart dann sein grundsätzliches Verständnis von Politik. Ich will Ihnen nicht das Lesen des großartigen Textes ersparen, ich nenne daher nur mir besonders Wesentliches. Die Idee, die Thomas Masaryk vor Jahren schon vertrat, Politik auf Sittlichkeit zu gründen, "Jesus, nicht Cäsar", soll als neues Element in die europäische, ja in die Weltpolitik eingebracht werden. Politik muss in der Sehnsucht, zum Glück der Gemeinde beizutragen, begründen (S. 241), und deshalb steckt der größte Feind in uns selbst, in unseren schlechten Eigenschaften - Gleichgültigkeit, Egoismus, Rivalität. Wir spüren die bleibende Aktualität!
Von den Aufgaben, die Havel als Präsident vor sich sieht, nenne ich nur zwei: Vorrang hat für ihn - und man bedenke die politische Situation von 1990! - darüber zu wachen, dass alle Interessen des slowakischen Volkes respektiert werden. Er ist immer - in jeder staatlichen Form - für das Miteinander der Unterschiedlichen eingetreten. Und dann ist es ihm eine Ehrenaufgabe, die Autorität seines Landes in der Welt zu stärken. Das haben Sie, Herr Staatspräsident, dann in der Vielzahl ihrer Besuche verwirklicht. Möglichst vor der tschechoslowakischen Wahl im Juni wünschten sie sich den Besuch des Papstes Johannes Paul II und des Dalai Lama, und erstrebten diplomatische Beziehungen zum Vatikan und Israel.
Auf die selbst gestellte Frage, von welcher Republik er träume - dies wurde dann übrigens überall zur überschrift dieser Ansprache - gibt Havel das Bild einer menschlichen Republik, die dem Menschen dient und deshalb die Hoffnung hat, dass der Mensch auch ihr dienen wird.
Ist das alles Utopie, Träumerei? Nun, der Papst kam noch vor der Wahl und Havel sprach von einem Wunder. Und wenn er 2002 in einem Brief an einen saudischen Prinzen versichert, welches Interesse er am Friedensprozess im Nahen Osten hat, welche Pläne zur Organisation multireligiöser Meditationen und Diskussionen bestehen und dann betont, dass dies - ich zitiere - "in voller übereinstimmung mit der Außenpolitik der tschechischen Republik steht", so darf man doch von anerkannter Erfüllung sprechen.
Er will Politik nicht auf das Berechenbare beschränken. Sein Wort hat gewiss nicht zur Verwirklichung einer vollkommenen Demokratie geführt, aber er hat gesinnungsprägende Nachdenklichkeit und verantwortungsbewusstes Handeln geweckt, er hat durch das Zeugnis seines risikobereiten und hoffnungsstarken politischen Lebens zur Nachfolge ermutigt und ruft uns auf, zu begreifen, dass Politik auch die Kunst des Unmöglichen sein kann, nämlich die Kunst, sich selbst und die Welt besser zu machen (S. 242).
Havel hat sich 2005/2006 einem umfangreichen Fragenbündel von Karel Hvizd'ala gestellt, das als Buch mit dem Titel "Fassen Sie sich bitte kurz" (Rowohlt 2007) vorliegt. Da kommentiert er diese Neujahrsansprache als "ein wenig hochfliegend, wie sich das für diesen Augenblick gehörte" (S. 204) und führt dann aus, dass es ihm nicht gelungen sei, diesen geistigen Staat zu verwirklichen. Offenbar ist das Ideal der Welt und auch das Ideal der tschechischen Variante - so sagt er - das Konsumparadies, eine Vision, gegen die er beharrlich aufgetreten ist. Doch was kann ein Einzelner bewirken? Ideale, so Havel, geben unserem Bemühen Richtung und Sinn, sie sind aber nicht statistisch als erfüllt abzuhaken. So auch das Ideal des geistigen Staates. Er, der immer wieder von Selbstzweifeln Begleitete, fragt, ob es denn jemand gab oder nicht gab, der an seine Stelle hätte treten können. Und dann, verehrter Herr Präsident, bemerken Sie: "Aber was sollen wir machen, wenn das Schicksal mich in diese Rolle getragen hat?" (S. 206) Ich erlaube mir zu sagen, dass wir dem Schicksal, das ja Gottes Fügung ist, danken, dass Sie damals und heute Politik als Dienst am Menschen und mit ihm verstehen. Ihre damalige Neujahrsansprache ist für uns nicht Archivgut, sie ist richtungweisend gerade im Heute.
Richtungweisend war in besonderer Weise die Rede, die Havel in Washington an einen 20.2.1990 – also noch vor dem tschechoslowakischen Wahlen – vor den beiden Kammern des US Kongresses hielt. Sie ist in Deutschland kaum beachtet worden, hat aber in den USA eine geradezu sensationelle Aufnahme gefunden. Er hat sie übrigens an einem einzigen Nachmittag schreiben müssen. (Denen unter ihnen, die öfter Reden halten müssen, wird solches nicht fremd sein.) Was nun die Wirkung dieser Rede betrifft, gibt Havel rückblickend meines Erachtens die beste Erklärung: Er sagte: Mit ihm stand erstmals "der höchste Vertreter eines Landes des kommunistischen Blocks" vor den Amerikanern, der "die eindeutige Nachricht brachte, dass der Kommunismus zusammengebrochen war, dass es zu Ende war mit der bipolar geteilten Welt" ("Fassen Sie sich bitte kurz", S. 167). Havel hat, ob überlegt oder intuitiv, bleibe offen, die Situation erfasst und durch die Schilderung seines Lebens vom Gefängnisinsassen zum Staatspräsidenten und durch das Verdeutlichen der Geschwindigkeit, in der sich die änderungen in seinem Land, in Mittel- und Osteuropa und in der SU vollzogen, anschaulich vermittelt, dass sich das Antlitz der Welt veränderte. Er spricht als Erfüllung an, was Zukunft erfordert: "Endlich können wir in ein Zeitalter der Multipolarität eintreten." Und die Tschechoslowakei ist nach Europa und zu ihrer Verantwortung zurückgekehrt. Bei aller Unvollkommenheit, so Havel, ist doch die Verantwortung gegenüber etwas höherem als meinem Land, meinem Unternehmen, meinem persönlichen Erfolg zu verwirklichen. Und er ruft die Intellektuellen auf, ihre Appetitlosigkeit gegenüber der Politik zu beenden.
Dieser Rede kennt man in den USA bis heute. In ihr nennt Havel die Erfahrung, die große Sicherheit vermittelte und vermittelt: "Das Bewusstsein geht dem Sein voraus, keineswegs umgekehrt, wie die Marxisten behaupten." Das lässt mich in analoger Beziehung den Bogen zu einem anderen Wort Havels schlagen: "Alles wichtige Geschehen der realen Welt, das Schöne und das Scheußliche, hat immer ein Vorspiel in der Sphäre der Worte." Dies ist ein Zitat aus der Dankesrede zum Friedenspreis des Deutschen Buchhandels vom 15.10.1989, die Maximilian Schell verlesen musste, denn Havel erhielt keine Ausreiseerlaubnis (wer konnte ahnen, dass er am 29.12. des gleichen Jahres zum Staatspräsidenten gewählt werden würde). Zugleich hat diese Aussage vom Vorspiel der Worte Bezug zu dem, was Dolf Sternberger in seiner Darstellung der Sprache als Folie für das politische Leben einer Gesellschaft bewusst gemacht hat. Und es lohnte mehr als eine Doktorarbeit, solche Vorschläge zu erkennen und sie – je nach Ziel – zu vollem Klang werden zu lassen oder zu beenden.
Havel schilderte die Situation seines Landes, in dem der Gebrauch des Wortes ins Gefängnis wird, er häufte dazu Beispiele. In solchem Land kann eine freie Rede das ganze System erschüttern. Pavel packt seine Hörer. Aber dann – und so etwas gibt es öfters in seinen Reden – erklärt er, es ging ihm aber um etwas anderes, dies sei nicht die Hauptsache. So weckt er Spannung! Diese Hauptsache ist nun die Vieldeutigkeit, die die große Macht des Wortes hat (S. 213). Worte haben eine Geschichte. Wir haben es schon erwähnt und vertiefen es hier: Das Wort kann befreiender Lichtstrahl sein, der die Gesellschaft elektrisiert, aber es gibt auch das trügerische, fanatisierende, todbringende Wort; und das Schlimmste, es kann eine Weile dies und eine Weile jenes sein, und es kann sogar beides gleichzeitig sein (S. 214). Havel fragt, was waren die Worte von Lenin, von Marx, von Freud, ja sogar die von Jesus – waren sie Erlösung oder Urkeim der Kreuzzüge? Aus dem demütigen kann ein hochmütiges Wort werden und umgekehrt. Wir verantworten die Qualität der Sprache. In der Diktatur misstrauisch geworden gegenüber Worten, die die Vielfalt des menschlichen Lebens verleugnen, begreifen wir, wie falsch es ist, menschliche, nationale, politische, soziale Gruppen en bloc zu fassen und sie en bloc zu lieben oder zu hassen (S. 222).
Sie, verehrter Herr Staatspräsident, haben uns bewusst gemacht, wie der Verzicht auf solches Sprechen, also der Verzicht auf das "die" – die deutschen, die Tschechen – zur Annäherung geführt hat. Das sei hier heute dankbar in Erinnerung gerufen.
1989 betont Havel, dass Europa vor großen Entscheidungen steht. Soll der Mensch sich als autonomer Herr der Natur und der Geschichte verstehen, soll er die Kluft zwischen Reich und Arm im eigenen Land und in der Welt hinnehmen oder den je anderen Weg gehen? Was er 1989 zur Sprache brachte, ist auch heute aktuell. Er legte dar, wie viele der Weltprobleme aus europäischen Quellen entstanden sind und nennt dann im schon erwähnten Interviewbuch "Fassen Sie sich bitte kurz" diese Probleme. Ihn besorgt vor allem, das die Ideen der globalen Zivilisation die des Wachstums und des Gewinns sind, und zwar um jeden Preis. Ihm geht es um die geistige Existenz des Menschen in der Gesellschaft. Europa könnte Inspiration einbringen, Sinn, nicht nur Nutzen (S. 358). Er beschwört uns: Europa darf seine geistigen Dimensionen nicht über der Debatte über Zölle und Tarife vergessen! Hier gibt es Europa übergreifende Impulse, und man sollte sie zur Kenntnis nehmen.
Im Kongress "Bildung im Zeitalter der Beschleunigung", den die beiden christlichen Kirchen Deutschlands im November 2000 in Berlin abhielten, sagte der langjährige Präsident der Georgetown University in Washington D. C., Professor Leo O'Donovan, dass wir zwar selbstverständlich den Markt brauchen, aber ihm nicht Allmacht geben dürfen. Ich will seine Ausführungen, die auch in den "Stimmen der Zeit" 4/2001 veröffentlicht sind, etwas kühn in einem Satz zusammenfassen: Nur wer das Nutzen des Nutzens unterbricht und sich Zeit nimmt, über den Nutzen nachzudenken, kann den Nutzen wirklich nutzen. Er wird Sinn erfahren. Eine geistige Brücke Prag – Washington, wie sie Havel entspricht. Er attackiert den Marktfundamentalismus und wendet sich leidenschaftlich gegen die Ideologie der Durchschnittlichkeit.
Seine Botschaft der Menschlichkeit und der Verantwortung habe ich schon mehrfach dargestellt. Ich will das Grundsätzliche und das Bleibende dieser Botschaft verdeutlichen, indem ich sein politisches Credo von 2006 mit dem Schluss seiner Friedenspreisrede von 1989 verbinde.
Sein Credo: Ich glaube, dass die sittliche Ordnung der rechtlichen, politischen und wirtschaftlichen Ordnung übergeordnet ist und dass diese Ordnungen aus jener erwachsen, und dass diese sittliche Ordnung ihre metaphysische Verankerung im Unendlichen und der Ewigkeit hat (S. 380). Am Schluss seiner Friedenspreisrede ruft er uns auf, gemeinsam gegen die hochmütigen Worte zu kämpfen. Und er stellt fest: "Das ist ganz offenbar nicht nur eine linguistische Aufgabe. Als Aufruf zur Verantwortung für das Wort und gegenüber dem Wort ist das eine wesenhaft sittliche Aufgabe." Und dann folgt ein Bekenntnis, zu dem auch ich, und ich darf sagen, auch wir uns mit dem Dissidenten Havel bekennen. Er sagt: "Als eine solche (sittliche Aufgabe) ist sie nicht vor dem Horizont der von uns zu überblickenden Welt verankert, sondern erst irgendwo dort, wo jenes Wort sich aufhält, das am Anfang war und dass nicht das Wort des Menschen ist" (S. 224).
Wir danken Ihnen, Herr Staatspräsident Havel und bekennen mit ihnen: Im Anfang war das Wort. Das gibt unserem Menschsein Richtung und Sinn und fordert unsere Verantwortung in Sprache und Leben.
Wir sind dankbar, dass es sie gibt und danken Ihnen für Ihr Zeugnis in Wort und Leben.
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